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Politische Erosionen

„Ich zöge es vor, in eine bestimmte Richtung zu gehen; andere halten es für richtiger, in eine andere zu gehen", erklärte Silvio Berlusconi. „Ich glaube, wir werden zu einer Komposition von Positionen für die Entwicklung und den Wiederanschub der Wirtschaft gelangen, die sehr effizient sein wird."

Eigentlich hat er bloß keine richtige Antwort auf das gleiche Problem, das einige andere europäische Staaten auch haben: Seit Urzeiten verschleppte oder nur halbherzig angegangene Reformen, z.B. der Sozialsysteme; Kostenexplosionen und strukturelle Defizite, die so lange aufgefangen oder verdeckt wurden, so lange der Staat aus dem Vollen schöpfen konnte.

Berlusconi versucht, irgendwie durchzukommen. Seinen Wirtschaftsminister hat er entlassen, weil dessen Sparkurs mit den Vorstellungen der Koalitionspartner AN und Udc kollidierte. Aber dessen 7,5-Milliarden-Sparpaket hat er in Brüssel präsentiert, um die fällige Warnung wegen des drohenden Haushaltsdefizits abzuwenden. Gleichzeitig versichert er, an den für 2005 geplanten Steuersenkungen festzuhalten.

Treu an seiner Seite steht, trotz regelmäßiger Drohungen, die Lega nord. Ihr läuft die Zeit davon, denn sie ist mit ihren Vorstellungen mehr und mehr isoliert. Fini hatte Recht, als er schon vor einem Jahr davor warnte, ihr entgegenzukommen. Im Norden hatte es damals bei den lokalen Wahlen nichts eingebracht; die Stimmen für die separatistische Lega waren teilweise kaum mehr als eine Fußnote wert. Jetzt hat sich der Niedergang für Berlusconis Koalition als Gesamtheit mit dem Verlust von Mailand und Bologna fortgesetzt. Obendrein hat die Lega zusätzlich dazu beigetragen, indem sie vielfach allein kandidierte und darum erst Stichwahlen notwendig wurden – die dann fast überall die KandidatInnen des geeint auftretenden Ulivo gewannen.

Aber vervollständigt wurde das Desaster erst mit den deutlichen Verlusten im Süden, den Berlusconi sicher in der Hand christdemokratischer und konservativer Kräfte glaubte. Den größten Einbruch unter den Parteien der Regierungskoalition hat Berlusconis Forza Italia erlitten, sodass Fini das glimpflichere Ergebnis als politische Stärkung für seine Alleanza nazionale interpretiert.

Zwischen Fini und dem Koalitionspartner Udc bestehen Übereinstimmungen in sozio-ökonomischen Fragen. .In eben diesem Sinne sind sie sich auch einig gewesen gegen die Pläne Tremontis, dem Mezzogiorno einen großen Teil der Haushaltssicherung aufzuhalsen: Um das Bilanz-Defizit auf die Europa-konformen 3% zu begrenzen, sollen 1,25 Milliarden dem Süden entzogen werden.

Fini kritisiert Berlusconis Wirtschaftspolitik seit langem; jetzt forderte er Tremontis Kopf und bekam ihn. Ministerpräsident Berlusconi kann auf einen Minister verzichten, aber nicht auf einen Koalitionspartner.

Nicht nur auf seinen größten Koalitionspartner; auch auf die kleineren ist er angewiesen: Ohne die 30 SenatorInnen der Udc hätte er in der zweiten Parlamentskammer keine Mehrheit mehr. Udc-Führer Marco Follini nutzte daher die Gelegenheit, dass die FI mit ihrer Politik von den WählerInnen bestraft wurde, und drohte, gegebenenfalls die Koalition zu verlassen und sie nur noch „von außen" zu unterstützen. Zuweilen stimmt die Udc schon jetzt mit der Opposition.

Fini weiß inzwischen den Präsidenten der Banca d’Italia, Antonio Fazio, hinter sich. Der hat das Haushaltssicherungsprogramm Berlusconis als unzureichend kritisiert, weil es zu wenig strukturell ausgerichtet sei und zu viele Maßnahmen mit einmaligem Effekt enthalte.

Dennoch sind sowohl Fini wie Follini bereit, dem – unveränderten - Haushaltsmanöver zuzustimmen; Follini um den Preis einer Revision der geplanten föderalistischen Verfassungsreform und des Wahlrechts; Fini „aus Loyalität".

Die Opposition fordert natürlich Neuwahlen und auch in der Reihen der Forza Italia gibt es die Befürchtung, es könne darauf hinauslaufen. Aber im Gegensatz zum letzten Mal, als Berlusconis Regierung über den Rückzug der Lega nord gestürzt ist, kann keiner der Koalitionspartner ein Interesse an Neuwahlen haben. Beim derzeit geltenden Wahlrecht reichen prozentual geringfügige Verschiebungen, um die Mehrheitsverhältnisse zu kippen.

Berlusconi ist es gewohnt, die Regierung zu leiten wie ein Padrone sein Familienunternehmen: Er regelt das jetzt alleine. Sowieso beginnt gleich die Sommerpause und im August ist Italien eh „geschlossen": Zeit genug, die möglichen Kompromisse auszuloten, damit alles bleibt, wie es ist.

 

© Annemarie Nikolaus, Juli 2004

 

- - - Kommentar dazu fürs Gästebuch

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 25/09/04