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Das "hilfsbedürftige" Geschlecht

Voller Sorge schauen auch die italienischen Politiker auf die demografische Entwicklung ihres Landes. Pünktlich zum Internationalen Frauentag hatte der ISTAT – das nationale Statistik-Institut – seine Studie über die Wandlungen im Leben der italienischen Frauen in den letzten zehn Jahren veröffentlicht. Demnach bekommen die ab 1965 geborenen Frauen im Schnitt nur noch 1,43 Kinder – zu wenig, um die ItalienerInnen vor dem Aussterben zu bewahren. Und „vorher" natürlich zu wenig, um die Renten und überhaupt das heutige Wohlstandsniveau zu erhalten.

Staatspräsident Carlo Ciampi hielt eine Ansprache zum Frauentag – ja, so etwas tut hier zu Lande der Präsident. Darin nahm er sich des Themas an und behauptete: „Die leeren Wiegen sind das wahre, das erste Problem der italienischen Gesellschaft." Und dann forderte er mehr Unterstützung und Hilfen für die Frauen. Worunter er, in bester Übereinstimmung mit der italienischen Bischofskonferenz, eine Politik der Förderung von Geburten und Familien versteht.

Der Soziologe Marzio Barbagli beklagt, dass jede Diskussion über Geburtenpolitik noch immer überschattet sei von der Erinnerung an die faschistische Ideologie: Wer über die Notwendigkeit des Kinder-kriegens spräche, würde automatisch als „rechts" eingestuft. Doch wer auch immer Vorschläge macht, angefangen von finanzieller Unterstützung bis zur Forderung an die Männer, mehr im Haushalt zu helfen; sie interessieren sich für die Frauen als potentielle Mütter.

Die Autonomie der Frauen und das Recht zu wählen, entweder zwischen Kindern und Karriere oder der Möglichkeit für beides, steht nicht wirklich zur Debatte. Symptomatisch die Einschätzung Barbaglis: „Wenn die Ehefrau arbeitet, dann ist das Geld da, aber nicht die Zeit um Kinder zu versorgen; wenn sie nicht arbeitet, hat es genug Zeit, aber nicht genug Geld. Im Ergebnis beschränkt man sich auf ein Kind. Wer die Wahl hat, bei Einkommen oder Kinderzahl Abstriche zu machen, entscheidet sich für den zweiten Weg." Bezeichnend auch, dass er dabei nur „Ehefrauen" im Blick hat.

Ganz in diesem Geiste hat die Regierung Berlusconi für die Dauer dieses Jahres eine Prämie von 1000 Euro für die Geburt des zweiten Kindes ausgesetzt. Die Kritik der Opposition konzentriert sich darauf, dass einmalige Leistungen aber nicht reichten, sondern es ein stabiles und dauerhaftes System sozialer Dienste bräuchte.

Schaut man sich aber beispielsweise die Emilia-Romagna an, traditionell „rote" Region, wo die öffentlichen Einrichtungen deutlich über den nationalen Durchschnitt ausgebaut sind, stellt man fest, dass dort die Frauen weniger Kinder als im Landesdurchschnitt bekommen. Eine Erklärung findet sich in den Daten des ISTAT: Fast 80 % der arbeitenden Frauen erklären, sehr oder ziemlich zufrieden zu sein, aber nur gut 60% der Hausfrauen. Im übrigen sind ältere Frauen – nach der "Kinder-Phase" – um so zufriedener, je aktiver und besser ausgebildet sie sind. Fast 60% aber der arbeitenden Ehefrauen, die Kinder haben, sind unzufrieden mit dem, was ihnen an freier Zeit verbleibt. In seinen Schlussfolgerungen unterstreicht der ISTAT, dass Arbeit ein immer wichtigerer Aspekt weiblicher Identität ist, aber bis heute bezahlt wird mit einer starken Überlastung durch Familienarbeit.

Fast zwangsläufig haben Frauen, wenn sie ein Kind möchten, auch noch einen Mann am Hals, der – ganz lateinischer Macho - versorgt werden will. Als Alleinerziehende finden sich trotzdem – oder deshalb - fast ein Viertel der Frauen unter 35 wieder: nach Scheidung oder Trennung. Ökonomisch können sie sich den Alleinerziehenden-Status kaum leisten; sie verdienen sehr viel weniger als die Männer – jene mit einem Hochschulabschluss beispielsweise im Mittel 195 Euro weniger. Mehr als die Hälfte der Frauen verdient unter 800 Euro im Monat. In den Einkommensklassen über 1000 Euro finden sich nur 10% von ihnen wieder, aber 22% der Männer. Die Zahl der Unternehmerinnen hat sich zwar in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht, aber in den erstem 50 italienischen Firmen sind nur 1,3% der Aufsichtsratsmitglieder weiblich. Ähnlich miserabel sieht es in den politischen Ämtern und wissenschaftlichen Einrichtungen aus. Dabei sind sie insgesamt besser ausgebildet als die Männer und investieren mehr in ihre Weiterbildung. Nur in einer gesellschaftlichen Struktur überwiegen die Frauen in Entscheidungsfunktion: Unter den Richtern sind sie zu 52% zu finden.

 

(c) Annemarie Nikolaus

 

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 16/01/07