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Medienpolitik

Ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrags von Nizza gegen Italien hatte das Europäische Parlament noch während der italienischen Ratspräsidentschaft im letzten Herbst eingeleitet. Der Ausschuss für Öffentliche Freiheiten sah das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit bedroht: Schon seit der ersten Regierungszeit Silvio Berlusconis besteht ein ungelöster Interessenkonflikt des Ministerpräsidenten in seiner Funktion als Eigentümer eines der beiden Fernsehkonzerne, des privaten Mediaset mit mehreren Kanälen. Es gibt zwar noch einige andere private Sender, aber die haben vergleichsweise wenig Gewicht und teilweise nur lokale Reichweite. Ende März ist die Resolution dagegen verabschiedet worden.

Konsequenzen hat sie faktisch keine. Nur kann sich jetzt die Opposition bei jeder Gelegenheit darauf berufen.

Ganz unbeirrt davon haben Regierung und Parlamentsmehrheit derweilen daran gearbeitet, das sog. Legge Gasparri (benannt nach dem jetzigen Informationsminister) zu verabschieden. Es soll die italienische Medienlandschaft insgesamt neu strukturieren, von der Presse bis zum künftigen digitalen Fernsehen.

Im Dezember hatte das Legge Gasparri nach mehr als zweijährigen Mühen alle parlamentarischen Hürden genommen. Aber Staatspräsident Ciampi weigerte sich, das Gesetz zu unterzeichen und verwies es als verfassungswidrig zurück. So dreist, einfach noch einmal neu abstimmen zu lassen – was formal möglich gewesen wäre – war die centrodestra denn doch nicht; ein paar Korrekturen wurden vorgenommen, bevor es endgültig verabschiedet wurde.

Doch der Ministerrat war zwischendurch so dreist, ein Dekret zu beschließen, mit dem verhindert wurde, dass der Berlusconi-Kanal Retequattro nur noch über Satellit senden darf. Zum Ausgleich kann Raitre – das dritte Programm des Staatsfernsehens – weiter Werbung bringen. Das Verfassungsgericht hatte die Verlagerung von Retequattro zum Jahresende 2003 angeordnet, das Legge Gasparri dies jedoch auf einen später zu bestimmenden Zeitpunkt verschieben wollen; einer der Gründe, warum Ciampi das Gesetz nicht unterzeichnet hatte.

Der Clou des Legge Gasparri ist die Neudefinition des Begriffs „Medienkonzentration". Bezugsgröße ist nicht das Fernsehen allein, sondern die Gesamtheit aller Pressemedien in Italien. Eine unzulässige Konzentration würde erst dann existieren, wenn sich mehr als 20% aller Medien in einer Hand befänden. Damit wird die Bedeutung von Berlusconis Konzern klein gerechnet und das Problem „Interessenkonflikt" scheint keine Rolle mehr zu spielen. Eine weitere kosmetische Maßnahme ist der Paragraf, der den Fernsehkonzernen bis Ende 2008 den Erwerb von – weiteren - Zeitungen verbietet.

Zufällig an eben dem Tag, als Ciampi schließlich das neue Gesetz unterschrieb, trat die Präsidentin des RAI, Lucia Annunziata, zurück. Sie, die die Unabhängigkeit des Staatsfernsehens garantieren sollte, hatte sich in Querelen mit dem Verwaltungsrat und Generaldirektor aufgerieben. In Programmgestaltung, Personalpolitik und finanzieller Strategie sah sie die RAI-Führung immer mehr auf Berlusconis Kurs und wollte dafür nicht länger das Feigenblatt liefern. Auslöser für ihren Rücktritt schließlich waren Personalentscheidungen.

Während auf der einen Seite Berlusconis privater Fernsehbesitz gesichert wurde, hatte es eine Reihe von Eingriffen in die journalistische Unabhängigkeit des Staatsfernsehens gegeben. Obendrein gestalten Programmmacher auf Regierungskurs ihre Talk-Shows immer parteiischer. Von der Schulreform bis zum „Fall" Adriano Sofri: Bruno Vespa lädt in seine Sendung nur Vertreter der Regierung. Regelmäßig mahnt die Opposition vergeblich, dass auch in Hintergrundsendungen es Pflicht sein müsse, die Gegenmeinungen zu Wort kommen zu lassen.

Immerhin, die Kontrollkommission hat kürzlich einen abstimmungsmäßig günstigen Moment genutzt: Als die „par condicio" neu geregelt wurde, fehlte die Lega nord. Nun ist in Wahlkampfzeiten – ab 45 Tage vor dem jeweiligen Termin – künftig der Opposition in den Hintergrundsendungen des RAI gleichermaßen Raum zu geben. Mit Hilfe der kleinen Udc aus dem Lager Berlusconis kam noch ein anderer Beschluss zustande: Auch in der ersten Phase des Wahlkampfs – vor Einreichung der Listen – erhalten alle Parteien die gleiche Sendezeit.

Die Kontrollkommission ist nur für den RAI zuständig, nicht für die privaten Sender. Berlusconis Mediaset hatte schon vor Jahren erklärt, sie würden einfach überhaupt keine Wahlsendungen bringen. Dafür gab es eine ausführliche Berichterstattung – über die Aktivitäten Berlusconis und seiner Mannschaft.

(c) Annemarie Nikolaus

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 27/05/04