Delta3.jpg (68718 Byte)

Friedenssuche                                            

 

 

 

Home
Nach oben
Zum Web-Inhalt
Veröffentlichungen
Disclaimer

 

 

Moral und Taktik

"Das Embargo brechen und humanitäre Hilfe leisten. Damit helfen wir der Opposition gegen Saddam." Für einen großen Kreis der außerparlamentarischen Kriegsgegner ist dies die richtige Strategie gegen den irakischen Diktator. Auf den italienischen Weihnachtsmärkten wurden Hunderte von Kilo irakischer Datteln verkauft, die "illegal" importiert worden waren. Die "No globals" und die katholischen Kirchenorganisationen stehen an der Spitze der pazifistischen Bewegung. Sie eint die moralische Ablehnung von Krieg. Künstler wie Lella Costa und Jovanotti, die sich schon im vergangenen Jahr in Opposition zu Berlusconi definiert hatten, haben sich angeschlossen, und mittlerweile kann die Bewegung auch auf Gewerkschaften unterschiedlicher Couleur zählen. Vittorio Agnoletto, Führer der "No globals" misst ihr wachsendes Gewicht daran, dass es noch zur Intervention in Afghanistan einhellige Zustimmung gegeben habe, während jetzt viele Parlamentarier gegen einen Krieg im Irak seien, und der Ulivo endlich in Bewegung geraten sei. Eines der nächsten Ziele ist, in die europäische Verfassung den italienischen Artikel übernehmen zu lassen, Krieg grundsätzlich abzulehnen. Sie setzen dabei darauf, dass die Debatte darum während der nächsten italienischen Ratspräsidentschaft geführt werden wird.

Ein Kommentator schrieb vor einigen Monaten: "Die Italiener bereiten sich darauf vor, dem angekündigten Krieg mit einem Maximum an Dogmatismus und einem Minimum an Reflexion zu begegnen."

Auf den italienischen Antikriegs-Artikel konzentrieren sich auch der letzte italienische Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro - einst DC - und der frühere Kammer-Präsident Pietro Ingrao - einst PCI -, die beide zu den Vätern der Verfassung gehören. Ohne eine Verfassungsänderung dürfe es keine Zustimmung geben.

Scalfaro hat seinen Nachfolger Ciampi offen kritisiert, der im Gefolge einer entsprechenden UNO-Entscheidung eine Zustimmung des italienischen Parlaments für denkbar hält. "Seit die Gründer der Republik unter dem Eindruck des 2. Weltkriegs diesen Artikel einstimmig verabschiedet haben, hat sich die Welt geändert: Mit den sicheren Grenzen scheinen nationale Verfassungen und internationales Recht an Gewissheit verloren zu haben. Aber dürfen wir wirklich die Verfassung als überholt betrachten und ihr die Macht der UNO entgegensetzen?" Scalfaro und Ingrao sind sich einig, dass eine Zustimmung zum Krieg auch die UNO-Charta selbst zu Staub werden ließe, denn deren Grundlage sei wie in der italienischen Verfassung der Glaube an den Dialog und die Rationalität im Zusammenleben.

Die parlamentarische Opposition ist noch auf der Suche nach einer gemeinsamen Position. Wie in fast allen anderen Fragen bestimmen Einzelinteressen die Taktik. Alfonso Pecorario Scanio, Parteichef der Verdi, versucht seit Monaten, den Ulivo für eine einheitlichen Linie zu gewinnen. Sein Hauptargument neben dem Zitat der Verfassung ist aber der populistische Verweis auf die Ablehnung unter den ItalienerInnen. Damit ist er bisher nicht weit gekommen. Unter der Schirmherrschaft der UNO wäre für die Margherita der Krieg hinnehmbar, sofern nur die Italiener nicht selbst dran teilnehmen müssten. Hört man genau hin, stellt man fest, dass die Stellungnahmen nicht nur von Margherita-Führer Francesco Rutelli, sondern auch von einzelnen Verdi-Abgeordneten wie Paolo Cento sich darauf konzentrieren, dass doch das Parlament in die Entscheidungen einbezogen werde.

Die DS hat sich jetzt der Front der Pazifisten angeschlossen - angesichts dessen, dass mit der Unterstützung der no globals durch Sergio Cofferati praktisch der CGIL auf deren Seite steht. Zuvor hat sich DS-Parteisekretär Fassino erst mal bitter beschwert, Cofferati würde ihn delegitimieren Und Fausto Bertinotti bezichtigt Cofferati der Spaltung, weil die Rifondazione comunista nun nicht mehr das Monopol auf die Vertretung der Bewegung beanspruchen kann.

Taktische Manöver als geheime Tagesordnung der "Linken": Rossana Rossanda sieht in der Kriegs-Diskussion einen Anknüpfungspunkt für die Frage, mit welchem Lager eine erfolgreiche Opposition gegen die Regierung Berlusconi organisiert werden kann.

Überhaupt nicht wird in der öffentlichen Debatte die geopolitische Frage thematisiert, dass Italien doch ein Mittelmeer-Anrainer ist. Die arabische Welt beginnt nur wenige Kilometer südlich des Stiefels. Beispielsweise haben italienische Firmen gerade eben damit begonnen, die traditionellen Geschäftsbeziehungen zu Libyen wieder aufzunehmen. Und im Gegensatz zum letzten Golfkrieg können die USA diesmal einen Angriff auch von im Mittelmeer stationierten Flugzeugträgern aus führen.

 

(c) Januar 2003, Annemarie Nikolaus

 

 

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 15/01/07