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Geldsorgen?

In den letzten Jahren hatte sich Italien durch ansehnliches wirtschaftliches Wachstum und vorbildliche öffentliche Haushaltsführung als akzeptabler Partner für die Rest-EU präsentiert. Regelmäßig waren die wirtschaftlichen Eckdaten besser als vorhergesagt, und die letzte Regierung konnte sich sogar seriöse Steuersenkungen leisten.

Jetzt aber ist auch hier Schluss mit den goldenen Jahren. Italien ist gar eines der vier Länder, das jetzt von der Europäischen Zentralbank gemahnt wurde, weil es auf dem Weg sei, die für 2002 gesetzten Ziele zu verfehlen.

Gerade mussten die Schätzungen für das Bruttoinlandsprodukt diesen Jahres praktisch halbiert werden: „Selbstverständlich" sind die Ursachen nicht in Italien zu suchen: Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat Anfang August festgestellt, dass „wir" einfach Pech hatten: Das Attentat vom 11. September, die Börsenkrise, die Einführung des Euro und die Krise in Lateinamerika hätten einen Punkt des BIP gekostet.

Die ursprüngliche Schätzung für 2002 musste von 1,3 % auf 0,6 % korrigiert werden, für 2003 wird nur noch ein Wachstum von 2,3 % erwartet - statt 2,9%. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti bleibt bislang aber unbesorgt: Mit diesen Daten reihe sich Italien schließlich in eine Linie mit den anderen Ländern ein. Berlusconi steht ihm zur Seite: Die Wirtschaft wachse zwar langsamer als erwartet, aber sie wachse ja.

Ganz deutlich gestiegen ist dagegen die Inflationsrate. Abgesehen von einer kurzen Pause im Mai, in der sie um 0,1% sank, geht es kontinuierlich Zehntelprozent um Zehntelprozent aufwärts: Im August lag sie bei 2,4%. Aber auch dies kein Problem - Minister Antonio Marzano: „Eine Preissteigerung von 2,4% in einem Land, das sich noch an zweistellige Inflationsraten erinnert, ist kein Grund zu Besorgnis; im Gegenteil, es bedeutet, wir haben die Preisentwicklung unter Kontrolle."

Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi fürchtet dagegen, das Problem der steigenden Preise könne unterschätzt werden. Vor wenigen Tagen fiel ihm ein, daran zu erinnern, dass mit der gemeinsamen Währung Italien nicht mehr wie in früheren Zeiten zum Mittel der Abwertung greifen könne, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ciampi erinnerte auch daran, dass in den früheren kritischen Jahren das Gespenst der enormen Inflationsraten durch klare, für alle Sozialpartner akzeptable Regeln gebannt worden sei: im Grunde ein Appell an die Regierung, zu konzertierten Aktionen zurückzukehren.

An erster Stelle allerdings, sagte Ciampi, müsse die Sanierung der öffentlichen Ausgaben konsolidiert werden. Auch diese Stellungnahme wenige Tage vor Beginn der Haushaltsberatungen für 2003 bedeutet, dass er mehr und mehr von seiner bisherigen Linie abweicht, sich nicht in die Tagespolitik einzumischen. Des Weiteren rief er sowohl Regierung wie Wirtschaft zu verstärkten Anstrengungen im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit im Mezzogiorno auf, um das otwendige Wachstum sicherzustellen.

Auch die Wirtschaft hat sich auf ungewöhnliche Weise in die anstehenden Finanzberatungen eingemischt: Antonio d’Amato, der Präsident des Industriellenverbandes Confindustria hat in einem - natürlich veröffentlichten - Brief an Berlusconi um Aufklärung hinsichtlich der Pläne der Regierung gebeten. Gleichzeitig forderte er zur Einhaltung des Stabilitätspaktes auf und ein Treffen vor der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes.

Trotz der zur Schau gestellten Gelassenheit griff die Regierung zu ersten Notmaßnahmen: Für drei Monate werden die öffentlichen Tarife eingefroren - keine Preiserhöhungen bei Strom, Gas und Telefon.

Der Ministerrat verabschiedete Anfang September ein Dekret zur Ausgabenbremse, das vor allem auf eine bessere Kontrolle abzielt. Die beiden wichtigsten Punkte sind, dass alle Gesetze, die in ihrer Umsetzung das vorgesehene Budget überschreiten, ins Parlament zurückverwiesen werden müssen zur Abstimmung über ein zweites Budget. Sodann soll es keine rückwirkende Deckungen durch nachträgliche Beschlüsse mehr geben.

Tremonti unterstrich ausdrücklich, das es keine dringlichen Grund für dieses Dekret gegeben habe, sondern es lediglich eine radikale strukturelle Maßnahme sei, die auf jeden Fall auf der Tagesordnung stand. Dazu muss man aber wissen, dass die italienischen Regierungen gewöhnlich dann mit Dekreten arbeiten, wenn es keine Zeit hat für lange Beratungen oder um das notwendige parlamentarische Procedere vorwegzunehmen: Angesichts der Mehrheitsverhältnisse wäre ihnen die Zustimmung ja garantiert.

Der öffentliche Haushalt ist das größte Problem; zum ersten Mal seit langer Zeit gibt es ein erhebliches Defizit. Im Juli sind die Einnahmen aus Steuern um 18% gesunken. Allein in den ersten acht Monaten diesen Jahres betrug das öffentliche Defizit über 34 Milliarden Euro.

Tremonti macht die centrosinistra dafür verantwortlich, weil sie in der vorangegangenen Wahlperiode Steuererleichterungen gewährt habe, die besonders bei den großen Firmen die Steuerzahlungen auf Null gesenkt habe. Dagegen plane die Regierung nun eine Steuerreform, die neutral und gerecht sei und alle Firmen und Arbeitnehmer gleich stelle.

Berlusconi hat für nächstes Jahr den Unternehmen eine Steuersenkung von durchschnittlich 2 % angekündigt. Im neuen Haushalt soll es keine Einschnitte bei den Sozialausgaben geben und „möglichst" keine Rückkehr zum ticket - den hohen Zuzahlungen im Gesundheitswesen. Statt dessen sollen die Ausgaben gekürzt werden.

 

(c) September 2002, Annemarie Nikolaus

 

 

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 15/01/07