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Alarmierende Umwelt-Bilanz

Nach einem extrem trockenen Winter versinkt der Norden des Landes in diesen Tagen erneut in den Fluten. Die Wasserstände auf der Piazza San Marco in Venedig haben neue Rekordhöhen erreicht. Im Süden dagegen herrscht seit Monaten Wassernotstand. In Sizilien werden die Menschen teilweise nur noch in Abständen von mehreren Tagen mit Trinkwasser versorgt. In Palermo gehen die EinwohnerInnen seit Wochen auf die Straße für das Recht, im eigenen Haus mit Trinkwasser versorgt zu werden. Experten sagen, die Zone tropischen Klimas habe sich in den letzten Jahrzehnten um 10° nach Norden verschoben: Italien beginnt, die Folgen unübersehbar zu spüren. 77 Prozent des Territoriums sind von Erosion bedroht, vor allem auf Sizilien und in Mittel- und Süditalien.

Dennoch: Nach wir vor trägt Italien selber zur desolaten Situation bei. Beispielsweise verläuft die Entwicklung hinsichtlich der Treibhausgase in Gegenrichtung zu den Vereinbarungen des entsprechenden Kyoter Protokolls: Statt zu sinken, sind die Emissionen zwischen 1990 und 1999 von jährlich 498 Millionen Tonnen auf jährlich 525 Millionen Tonnen gestiegen.

Kürzlich hat die nationale Umweltbehörde ANPA zum ersten Mal einen zusammenfassenden Bericht über den Zustand der Umwelt in Italien vorgelegt. Künftig soll es ihn jährlich geben.

Bleihaltiges Benzin ist erst jetzt verboten; hoch sind nach wie vor die Luftbelastungen durch Benzene und Schwebstaub, produziert vor allem durch Verkehr und Heizungsanlagen. Lediglich durch den wachsenden Verbrauch von Methan wurde ein Betrag zur Entlastung von Schwefeldioxid geleistet. Verringert hat sich auch der Ausstoß an Stickstoffoxid: von 2,2 Million Tonnen 1990 auf 1,8 Million im Jahr 1999.

An Altlastenflächen, die mit ihren Schadstoffen und Abfällen aus industrieller und landwirtschaftlicher Nutzung Böden und Grundwasser gefährden, sind inzwischen über 10.000 Gelände - vorwiegend im Norden - registriert. Aber selbst in den „Gebieten von nationalem Interesse", für die eine eigene Finanzierung oder Co-Finanzierung aus dem nationalen Haushalt bereitsteht, sind fast überall die Sanierungsprojekte immer noch in den Untersuchungs- und Planungsphasen befangen.

Auch der Wassernotstand ist weitgehend „hausgemacht" und nicht nur klimabedingt. Zum „Welttag des Wassers" war der erste nationale Bericht über das Wasser vorgelegt worden, der zusammenträgt, was eigentlich alle längst wussten: Vor allem im wasserarmen Süden werden die Trinkwasserressourcen miserabel verwaltet: unvollständige Kartierungen, unvollendete Staudämme, schlecht gewartete Leitungssysteme mit unzähligen Lecks, illegale Brunnen. Und dazu die allgemeine Verschwendung: Mit 78 Kubikmetern pro Jahr hat Italien den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch in der ganzen EU.

Hinzu kommen hohe Umwelt-Belastungen. Die EU hat in diesen Tagen zum wiederholten Mal Italien verwarnt, weil die Grenzwerte für Nitratbelastungen aus der Landwirtschaft nicht eingehalten werden.

Zwar hat Italien seit einigen Jahren ein vorbildliches Wassergesetz mit hohen Qualitätszielen für alle Arten von Wasser. Aber die darin vorgesehen Fristen zur Umsetzung sind weitgehend abgelaufen, ohne dass Regionen und lokale Umweltbehörden in bemerkenswertem Umfang tätig geworden wären. Ein Drittel der ItalienerInnen lebt in Großstädten, die immer noch kein Klärsystem haben. Mailand hat dafür unlängst eine saftige Strafe von Seiten der EU kassiert. Der dort seit Jahren geplante Bau einer Kläranlage stagniert zwischen politischen Querelen und Korruption. Derweilen fließen jeden Tag die ungeklärten Abwässer von drei Millionen Menschen direkt in die Mailänder Flüsse, anschließend in den Po und am Ende in die Adria. Nachhaltig - und inzwischen vermutlich auch irreversibel - sind die ökologischen Schäden im Po-Delta.

Die Umweltorganisation Legambiente hat vorgerechnet, dass allein durch sachgemäße Klärung der Abwässer bis zu 29% der für die Bewässerung in der Landwirtschaft notwendigen Menge zur Verfügung ständen und entsprechend die Trinkwasserversorgung entlastet würde. Als eklatanteste Beispiele für die Misswirtschaft auf Sizilien nennt ihr Sprecher Roberto Della Seta die 7 Konzessionen der Regionsregierung für die Förderung von Mineralwasser und den fortgesetzten Bau von Golfplätzen.

Die Verdi haben im Süden eine Kampagne dafür gestartet, dass die Mittel, die die Regierung Berlusconi für das Mammutprojekt der Brücke über die Meerenge von Messina bereitgestellt hat, stattdessen in die Beseitigung des Wassernotstands investiert werden. Der grüne Senator Mauro Turroni hat kürzlich vorgeschlagen, den Präsidenten der Gesellschaft für den Brückenbau vorerst mit dem Bau eines Wassernetzes zu beauftragen. Als ehemaliger Minister für Zivilschutz habe er immerhin die Kompetenz dafür.

In Palermo sind jetzt 10 der 17 geeigneten privaten Brunnen beschlagnahmt worden, um sie bis zum Herbst ans städtische Trinkwassernetz anzuschließen.

Die Regierung Berlusconi hat sich nun entschlossen, einen eigenen Beitrag zu leisten: knapp 700 Millionen Euro hat sie den betroffenen Regionen zugesagt. Im Wesentlichen soll das Geld dafür dienen, die durch die anhaltende Trockenheit geschädigten Landwirte zu unterstützen. 100 Millionen davon sollen allerdings erst einmal in die Gründung eines Fonds fließen; weitere 300 Millionen sind nichts anderes als die um ein halbes Jahr vorgezogene Auszahlung von EU-Geldern. Verbesserung der Infrastruktur ist dabei nicht vorgesehen.

                (c) Juli 2002, Annemarie Nikolaus

 

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 28/12/06