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Einwanderung                                            

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Offene Grenze "Meer"

Italien ist nun einmal nichts anderes als eine Halbinsel mit vielen Tausend Kilometern Küste. Eine Grenze, die in ihrer Gesamtheit kaum zu kontrollieren und schwer zu sichern ist. Innenminister Claudio Scajola hat darum nun den "Notstand" ausgerufen. Die Auffanglager platzen aus allen Nähten. Anlass war die Aufbringung des Rostkahns Monica Mitte März mit fast tausend, zumeist kurdischen, Flüchtlingen.

Piero Fassino, einer der Spitzenpolitiker der DS, konnte sich darob die Häme nicht verkneifen: "Zu sagen, dass es die Immigranten gab, weil die centrosinistra regierte, hat sich als Unsinn erwiesen."

Im letzten Jahr haben insgesamt 20.143 Menschen den Weg über die italienischen Küsten gesucht; der Boom hat nach dem 11. September eingesetzt: Fast 14.000 davon kamen nach diesem Tag. Für dieses Jahr weist der Trend auf eine Verdoppelung: Von Anfang des Jahres bis zum 18. März kamen schon 6541 boat people gegenüber nur 3393 im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Da wird doch tatsächlich öffentlich darüber räsoniert, wer wohl den ImmigrantInnen das Geld für die Schlepper zukommen ließe. 4.000 Dollar pro Erwachsener und 2.000 Dollar pro Kind sollen die Flüchtlinge von der Monica gezahlt haben; unter ihnen eine vollständige 13köpfige Familie.

Noch einen Schritt weiter geht Umberto Bossi, Führer der Lega nord, der gar eine europäische Verschwörung gegen die Souveränität Italiens wittert. Seinen Verdacht begründet er mit der Tatsache, dass die Monica tagelang von der französischen Marine durch internationale Gewässer eskortiert worden war, diese aber nichts unternahm.

Ausdrücklicher Teil des Pakts zwischen Silvio Berlusconi und Bossi war im vergangenen Jahr gewesen, strikt gegen die illegalen EinwandererInnen vorzugehen. Mit dem bisherigen "Ergebnis" ist Bossi höchst unzufrieden: 75.448 "Heimliche" - clandestini - sind im vergangenen Jahr ausgewiesen worden; im Jahr zuvor waren es 66.057 ImmigrantInnen gewesen. Kein nennenswerter Unterschied also.

"Meine Leute können nicht mehr.", tönt Bossi, und meint damit die WählerInnen der Lega nord. Die Immigration ist eines der Schlachtpferde der Lega, sieht sie Padaniens kulturelle Identität doch schon mehr als genug von den Terroni, den ItalienerInnen aus dem Süden des Landes bedroht. Bossi hatte seiner Partei das Bündnis mit Berlusconi und die damit verbundenen Zugeständnisse mühsamst abgerungen; nun steht er unter Erfolgszwang.

Bossi hat mit seiner Regierungsbeteiligung das Pech, dass ausgerechnet seine Minister an den heißen innenpolitischen Fronten "Justiz" und "Arbeit" stehen. Zähneknirschend müssen sie die Koalitionslinie vertreten und Prügel für die Regierungspolitik einstecken. Die Gewerkschaften haben mittlerweile begonnen, einen Generalstreik gegen den Gesetzesentwurf des Artikels 18 des "Arbeitsstatuts" zu organisieren.

Die Gewerkschaftsaktionen sind für den April vorgesehen. Im Mai aber sind Kommunalwahlen - und Bossi befürchtet, dass die Lega nord bei der Gelegenheit die Rechnung für ihre Regierungsbeteiligung zahlen muss. Dabei waren schon die letzten Wahlergebnisse desaströs.

Für die deshalb dringend notwendige Schärfung des eigenen Profils bleibt der Lega derzeit nur das Ausländer-Thema. Also hat Bossi das Gewand eines Ministers dieser Regierung abgestreift, um sie frontal im Kleid des Führers Padaniens anzugreifen: "Diese Regierung ist unfähig, die Invasion der clandestini zu stoppen." Zielscheibe sind diesmal nicht nur die christlichen Parteien der Koalition, sondern Berlusconi selbst. Seine Parteigänger lässt er mit der Aufkündigung des Regierungsbündnisses drohen, falls nicht endlich durchgegriffen werde.

Selbst Vize-Premier Gianfranco Fini (Alleanza nazionale), der gemeinsam mit Bossi einen Gesetzesentwurf zum Ausländerrecht eingebracht hat, geht dieser inzwischen zu weit: Fini: "Es gab Kinder auf dem Schiff (…). Hätten wir sie etwa aufs offene Meer zurückschicken sollen?" Und sein Fraktionsführer Ignazio La Russo, während er effektivere Maßnahmen gegen die clandestini fordert, erklärt, dass seine Partei (AN) niemals darauf verzichten wird, Kriterien der Zivilität und Humanität den Vorrang zu geben.

Der Gesetzentwurf Fini-Bossi, in erster Lesung Ende Februar im Senat angenommen, sieht vor, dass Ausländer aus nicht der EU angehörenden Ländern nicht mehr zur Arbeitsuche nach Italien einreisen dürfen. Bisher hatten sie ein Jahr Zeit, eine Arbeit zu finden. Künftig müssen sie einen gültigen Arbeitsvertrag vorweisen und ihre Arbeitsgesuche an die Botschaften richten, die diese an die Präfekturen in Italien weiterleiten sollen. Die Arbeitsverträge können über ein oder zwei Jahre laufen und verlängerbar sein. Nach zehn Jahren darf die italienische Staatsbürgerschaft beantragt werden. Zuzugsgenehmigungen gibt es nur für minderjährige Kinder oder solche mit einer schweren Behinderung; außerdem für die Großeltern. Bisher illegale Haushaltshilfen können - eine pro Familie - ihren Status legalisieren, wobei die betreffende Familie für drei Monate die Abgaben nachzahlen muss.

Einwände hatte es schon von Unternehmerseite gegeben; besonders im Nordosten herrscht erheblichen Bedarf an Arbeitskräften. Nach Bossis Ausfällen hat sich nun auch die italienische Bischofskonferenz CEI hören lassen und vor einer Dramatisierung der Einwanderungen über das Meer gewarnt. Bischof Garsia hat bei der Gelegenheit zudem den Gesetzesentwurf als diskussionsbedürftig kritisiert.

                    (c) Annemarie Nikolaus, März 2002

 

                      - - - Kommentar dazu fürs Gästebuch

 

 

Copyright © 2001 Annemarie Nikolaus
Stand: 27/03/02