Mailand an einem frühsommerlichen
Märztag: verstopfte Metro-Stationen, vergeblich Wartende an den
Bus-Haltestellen. Schon wieder Streik? Nein, wieder autofreier Sonntag.
Wie in Mailand ging es den öffentlichen Verkehrsbetrieben in vielen
Städten am ersten März-Sonntag. Sie hatten den Enthusiasmus der
ItalienerInnen für diesen zweiten von vier geplanten autofreien Sonntagen
komplett unterschätzt.
Wie oft, sind die BürgerInnen innovativer als Politik und Verwaltung.
Als Umweltminister Edo Ronchi (Verdi) im Herbst die autofreien
Sonntage vorschlug, hatte es von Seiten vieler Bürgermeister erst mal
Proteste gegeben. Umfragen zeigten aber, dass die Mehrheit diese Idee
begrüßte. Dann stellte Ronchi klar, dass – erstens – er nicht an
eine ministerielle Anordnung dachte, sondern die Teilnahme freiwillig sein
würde, und dass –zweitens – die beteiligten Städte „erhebliche"
finanzielle Zuschüsse für verkehrsreduzierende Strukturmaßnahmen
erwarten konnten. Ronchi hatte vorgesehen, dass versuchsweise von Februar
bis Mai jeweils der erste Sonntag im Monat autofrei sein solle, und man
nach der Auswertung der Erfahrungen weitersehen werde. Vorgabe war, einen
Hektar Stadtgebiet pro 3000 EinwohnerInnen zu schließen.
Am ersten autofreien Sonntag nahmen über 100 Städte teil; am zweiten
waren es schon fast 150, die weite Bereiche ihrer Zentren schlossen. Neun
von zehn Italienerinnen waren Anfang März für diese autofreien Sonntage,
viele befürworteten eine flächenmäßige Ausdehnung der autofreien
Zonen; viele waren auch dafür, die Aktion nicht nur auf einen Sonntag im
Monat zu beschränken.
Der erste autofreie Sonntag war in Norditalien in eine Phase erhöhten
Smogs gefallen. Mailand und das Hinterland hatten in den Tagen davor
zeitweilige Fahrverbote für Autos ohne Kat verhängt, was aber den
Verkehr natürlich nicht merklich verringert hatte. Um so deutlicher der
Kontrast der völlig autofreien Innenstadt am Sonntag; und dies nicht nur
hinsichtlich Optik und Lärm. Auch die Luftbelastungen waren noch deutlich
niedriger.
Einzelne Städte, wie Turin, schließen das gesamte Stadtgebiet,
andere, wie Palermo, wollen jeden Sonntag bis Anfang Mai autofrei machen.
Die Aktionstage werden von den Städten vielfältig gefördert;
verbilligte Fahrscheine oder gar Null-Tarif, Straßenkonzerte und
Sportveranstaltungen, Stadtführungen per Fahrrad.
Die Umweltverbände begrüßen im Prinzip natürlich zwar die
autofreien Sonntage, kritisieren aber gleichzeitig den nur symbolischen
Charakter des Ganzen. Um lediglich 2% - haben sie vorgerechnet – sänke
dadurch die monatliche Luftverschmutzung. Immerhin, an den Sonntagen
selbst scheint die Luftbelastung um 20 bis 30% zu sinken. 74 Milliarden
Lire an Benzinkosten sind allein am zweiten Sonntag gespart worden.
Bei aller Symbolik zeigen die autofreien Sonntage den Städten auch die
strukturellen Defizite, vor allem im Bereich des öffentlichen
Transportwesens, die die BürgerInnen alltags wieder in die Autos zwingen.
© Annemarie Nikolaus, März 2000 |